Beschreibung einer Dorfgründung

Gründe für die Entstehung von Reischdorf



Das Erzgebirge war von alters her dicht bewaldet. Auf der ganzen Länge war es eine natürliche Grenze gegen das Vogtland und Meißen und schützte jahrhundertelang den böhmischen Raum. Bis ins 11. Jhdt. Gab es zwischen der weißen Elster und dem Elbdurchbruch keine Siedlungen. Der dichte Grenzforst, der Markwald, war meist mehrere Tagesmärsche breit und praktisch menschenleer. Nur wenige Pfade bildeten Furten. Am Eingang die Burgen als Kopf der Paßwege, der Ausgang hieß “Landestor”. Ausserhalb dieser Steige und Wege war der Grenzwald so gut wie undurchdringlich. Entlang dieser Paßstellen bestand jedenfalls eine dünne Siedlungsbrücke mit Zoll und Mautstellen, denn König und Grundherrn waren daran interessiert, die Furten befahrbar zu halten und brauchten dazu Geld.

Wie weit der Wald ins Landesinnere ging, sagen folgende Namen aus: Auch die Namen der Orte Pran und Prenzing (zwischen Deutsch Kralupp und Priesen)deuten darauf hin.

Pran.... “Tor” (braniti=verteidigen)

Prenzing ...Verkleinerungsform und sollte als “Törchen” gedeutet werden.

So war vermutlich diese Stelle, wo man die Paßstraße das letzte Mal “verhauen” (Feindabwehr) konnte, bevor man in die waldfreier Saazer Felderlandschaft kam.


Belegt ist aber, daß bereits Pfade und Steige genannt werden. Sie waren wohl nicht für Karren und Wagen, jedoch für Saumreiter geeignet. Trotzdem fanden Heere den Weg über das Erzgebirge

805 Karl der Große (768-814) ...ein Heer drang über

die “Ferguna” (Erzgebirge) bis an die “Agara” (Eger) und belagerte die Cranburg (vermutlich Kaaden)


vermutlich aber auch schon der


Merowingerkönig Dagobert I (629-639) mit seinem austrasischen Heer übers Gebirge gegen das Slawenreich von König Samo und wurde bei “Wogastiburg” geschlagen.

Austrasien war ein Teil des Frankenreiches

Wogastiburg > dabei könnte es sich höchstwahrscheinlich um Kaaden handeln.


Eine der wichtigsten Fernverkehrsverbindungen über das Erzgebirge führte durch die Region, wo Reischdorf lag.

Böhmen hatte alles nur kein Salz (siehe Beitrag Salz)

Namensnennungen weisen darauf hin: “Vyprty” das heißt “Tor nach draußen”, “Ausgangspforte”


Von Prag (Wirtschaftsmittelpunkt) ausgehend geht es vorab einmal nach Schlan oder Laun (beides die ältesten urkundlich erwähnten Übergangsstellen der Eger > 1088 wird eine Fähre urkundlich erwähnt). Von hier geht es über den Postelberg (“Porta apostolarum” wörtlich die “Pforte der Apostel”)>1100 gab es da schon eine Benediktinerkloster< nach Komotau, von wo aus die Straße über

Somit war der Punkt wo Reischdorf entstand der Knoten der 3 böhmischen Äste von Prag nach Halle/Leipzig.


In Preßnitz war dann Rast für Fuhrmann und Pferd, man mußte anhalten, denn der Landesherr verlangte Zoll, der Grundherr den “Kleinen Zoll” (zum Erhalt der Wege und Brücken). So manche Fürbitte in der Kirche zu St. Nikolaus (Schutzpatron der Kaufleute)wurde gesprochen. Hier wurde die Zeit genutzt um Reparaturen am Sattel, am Wagen, an den Rädern, durchzuführen oder es wurden die Pferde neu beschlagen.


Jedenfalls sollte es da nicht verwundern, wieso Reuzendorf,

das Dorf mit den vielen Pferden hier entstanden ist.



Mehrfach wird in Urkunden der Erzgebirgswald als Grenze erwähnt.

1086 Abschrift der auf dem Reichstag in Quedlinburg durch Otto den Großen vorgenommene Urkunde : Die Grenze “mitten durch den Wald gehen”

1126 Paderborner Annalen und in einer Bestätigungsurkunde für das Stift Ossegg, “das mit Wald bedeckte Erzgebirge als flächenhafte Grenze zwischen Böhmen und Meißen”


Wie ging so eine Dorfgründung vor sich.....


Hier tritt der Begriff Lokator (lat. Locus = Stelle, Platz, Ort) auf. Ein Lokator war ein Mann, dem der Land- oder Grundherr beauftragte für den Siedlungsvorgang nötige Bauern aus dem deutschen Raum zu finden, das vorgesehene Siedlungsland zu verteilen, und daß der Grundherr die finanzielle Ablöse “Anleite” bekam. Als Gegenleistung bekam dieser Lokator das Erbrichteramt im neu entstandenen Dorf. Dieses Amt war meist mit verschiedenen Begünstigungen und Einkünften verbunden. Er bekam gewöhnlich die Gerichtsgelder, meist ein Drittel der Bußen, dann hatte er meist das Schankrecht und das Mühlenrecht.


Die Siedler legten mit Hilfe des Lokators ein Straßendorf an. Dies war eine völlig neue Siedlungsgestaltung im böhmischen Raum, im Vergleich zu den rund angelegten slawischen Dörfern. Der erste Weg verlief dem Bache folgend. Nun kam auf die Siedler harte Arbeit zu. Das Roden des Waldes und die Errichtung eines Blockhauses als vorläufige Wohnung. Voll Umsicht sorgte der Lokator dafür, daß für die 2. und 3. Söhne und für nachkommende Siedler noch genung Rodungsräume zur Verfügung standen.


Die Rodung geschah anfangs durch Feuer. Flurnamen mit “Brand” weisen heute noch drauf hin.

Die Schwendmethode, wo die Bäume durch Schälen der Rinde dahinschwanden. Bei der Schwendmethode war danach ein schönes Stück Arbeit mit Axt und Hacke nötig. Das anfallende Stammholz wurde zur Herstellung vom Haus, von Wägen und Geräten verwendet. Ast und Wipfel wurden verbrannt und dienten als Dünger.


Mit dem Fällen der Bäume und dem Wegschaffen des geschlagenen Holzes war es noch nicht getan. “Roden” ist eine sprachliche Form von “reuten”. Mittelhochdeutsch heißt es “ruiten” und bedeutet Boden lockern, urbar machen. Man mußte den Boden von den Wurzelstöcken der Bäume befreien. Diese mühevolle Arbeit wurde je Hufe von 2-3 Leuten vollbracht.


Das gerodete Land paßte der Lokator möglichst einer rechteckigen Form an. Die Breitseite zerlegte man in die Anzahl der Siedler. Danach fuhr man mit dem Pflug soweit, wie die Zugtiere (Pferde) ohne abzusetzen, es schafften. Die Länge dieser Zugfahrt richtete sich nach der Bodenbeschaffenheit und nach dem Gespann. 65 Ruten oder 150 Klaften, d. sind 250 m war für ein Pferdepaar eine beachtliche Leistung.


Diese Art der Flurteilung ist deutlich in Reischdorf erkennbar. Jeder Bauer war bestrebt, auf einer Hufe einen Weg zu besitzen, damit er unter Ausnützung der Hangneigung ohne Schwierigkeiten mit seinem Gespann bis ans Ende seines Feldstreifens zu kommen. Diese Flurwege wurde im Laufe der Zeit Hohlwege. Diese prägten den Grundriß der Feldmarkung wie die Rippen eines gefiederten Laubblattes. Die Hufengrenzen markierte man durch Feuermale oder Axthiebe an den Grenzbäumen.


Jetzt erst konnte mit der eigentlichen Arbeit eines Bauern begonnen werden. Es herrschte reine Einzelwirtschaft, denn es gab keinen Flurzwang, im Unterschied zum Haufendorf, wo Flurzwang bestand. Das Reihendorf verlangte auch keine weitere gemeinsame Arbeit im Wald und Feld. Der Ausbau des Dorfes konnte deshalb durch weitere Rodungswillige solange fortgesetzt werden, bis man an die Gemeindegrenze stieß. Aus den Flurwegen zu schließen haben ungefähr 30-40 Siedler “Reußendorf”, den Ort mit den vielen Pferden gegründet.


Ein Teil des neu entstandenen Dorfes, gehörte der ganzen Gemeinde, war Weideland und man nannte dies im Mittelalter “Almende”. Die Gemeinderift “alagimeinida” =Allgemeinheit. Auf diesem Weideland hütete der Hirt die Viehherde d. Dorfes (Hutweide). Von den Häusern aus führte ein Weg zum Weidegebiet, auf der das Vieh immer aus- und eingetrieben wurde. Diesen ausgetretenen Weg nannte man Viddraab. Nach der Ernte durfte das Vieh über die ganze Gemarktung weiden. Welche Bedeutung das Weideland hatte bezeichnet der Ausdruck “Aß” (=äßen) oder Himmel (Reischdorfer Pfarrhimmel)


Die Bauweise der Bauernhäuser war seit der Gründerzeit gleich. Die deutschen Siedler brachten sie aus ihrer Heimat mit. Anfangs aus Holz – Blockhäuser oder Pfostenwandhäuser. Manchmal auch schon mit Obergeschoß aus Fachwerk aufgesetzt. Das Dach bestand immer aus Schindeln, an der Längsseite zugespitzt (Nut und Feder). Später errichtete man wegen der Brandgefahr das Erdgeschoß auch aus Steinen. Beim Fachwerk sah man deutlich das Gebinde (Bundhaus), das Balkengerüst und die Lehmfüllung.


Der Bauer der deutschen Siedler des 12.-14. Jhdt. waren nach deutschem Recht bestellt worden. Deshalb keine Hörigen, sondern gleichsam freie Besitzer einer Scholle. Er bewirtschaftete seinen Grund gegen die Erbzinspacht an seinen Grundherrn und konnte damals das gerodete Land verkaufen und vererben. In der Regel waren die Bauern in den ersten Jahren ihrer Ansiedlung von allen weiteren Abgaben ganz oder teilweise befreit, insbesondere wenn es sich um eine mühevolle Rodung handelte. Die Siedlung stand unter der Leitung des Erbrichters, anfangs des Lokators.


Die Siedler stammten überwiegend aus dem fränkischen und dem thüringischen Raum. Zum Neid der weiter im Landesinneren slawischen Bauern, die diese Rechte nicht hatten. Denn ihnen konnte ihr Grundherr nach Belieben den zur Bewirtschaftung überlassenen Boden wieder abnehmen und sie zu Leistungen und Abgaben in willkürlicher Höhe zwingen. (Robot = vom slawischen roboti=arbeiten)


Die Freiheit der deutschen Bauern wehrte nicht ewig. Auch sie unterlagen später der Robot.